Freitag, 22. Oktober 2010

Where Jonas and I will be able to powder our noses

Könnt ihr euch auch an Happen Schulstoff oder Aussagen im Studium erinnern, bei denen ihr gedacht habt: Das kann doch nie und nimmer so sein! Das ist doch völlig veraltet! Wo lebt der denn? Hinterm Mond? Wohl nicht im 21. Jahrhundert angekommen...
So ging es mir ja in der Grundstudiumsvorlesung zu Siedlung und Verkehr, als wir verschiedene Siedlungsformen für die Prüfung lernen mussten und da so exotische Exemplare wie Hufensiedlung, Hufenflur, Waldhufendorf auftauchten. Ich dachte mir damals einfach, dass Hans Ruedi Egli wohl zu lange in einem alten sowjetischen Nachschlagewerk geblättert hat, das ausgestorbene Siedlungsformen von Urvölkern auf Kamchatka beschreibt. Auf jeden Fall etwas ohne jegliche Relevanz in der Gegenwart. Bis ich dann eines Tages mit Jonas auf einer Velotour im alten Land bei Hamburg war und wir in einem Dorf Kuchen essen wollten. Wir fanden aber beim besten Willen das Dorfzentrum nicht, sondern nur einzelne Häuser auf beiden Seiten der Strasse mit langgestreckten Apfel-Hostetten dahinter. Da viel es mit plötzlich siedend heiss ein: Das ist ein Hufendorf!

Ein zweites Beispiel dürfte den Nicht-Geoleuten unter euch etwas näher sein: Schon im Gymer ging es im Englischunterricht bei Herrn Nussbaum darum, wie wir in England oder den USA anständig nach einer Toilette fragen können: Nicht etwa ungehobelt "Where ist the toilet?", sondern "Where is the bathroom, please?" ist da angebracht. Und für gehobenere Gesellschaften, das hat Herr Nussbaum nicht vergessen nachzuschieben, ziemt sich für die Damen auch ein "Where can I powder my nose?". Das war eine Aussage, von der ich mir nicht vorstellen konnte, das sie jemand ernsthaft in den Mund nehmen würde, respektive falls doch, dass ich je einmal in Gesellschaftskreisen verkehren würde, in denen das angebracht wäre.
Nachdem ich hier in Melbourne mehr als einmal Frauen im Tram beobachtet habe, die sich schminken und nachpudern, war ich mir absolut sicher, dass so ein Ausdruck auch hier in Australien nicht existiert. Wenn frau sich ja ungeniert auch öffentlich schminken kann...

Bis wir dann auf Wohnungssuche gingen: Wenn eine Wohnung ein Badezimmer und eine separate Toilette hat, dann heisst diese, ja wie wohl?
Powderroom!
Ich nehme also alles zurück, was ich über die Aktualität von Herrn Nussbaums Ausführungen gedacht habe.


Jonas und ich haben seit gestern eine Wohnung, und leider leider hat diese keinen Powderroom. Ich werde mich also weiterhin im Tram schminken müssen...

Die Wohnung hat dafür folgendes:
- weicher, dichter, flauschiger Spannteppich (das ist hier schon fast selbstverständlich)
- grosse Fenster und viel Licht (das ist hier bitte schön alles andere als selbstverständlich)
- viel Platz (das brauchts hier, weil man die Velos reinnehmen muss)
- eine elektische Heizung (nicht selbstverständlich, aber nach unseren Erfahrungen letzte Woche ein Segen)
- absolut supertolle Lage (2 Minuten zum Bahnhof, 2 zum Park, 2 zum Markt, 2 zu meinem liebsten Kochbuchladen, hehehe)
- keinen Balkon (hat uns Überwindung gekostet! Oh ja! Aber wie gesagt, 2 Minuten zum Park, 5 zum botanischen Garten, auch nicht schlecht)
- und sie ist seeeeehr teuer! Melbourne ist ein bisschen das Zürich von Australien.

Was bedeutet, dass ich noch mal motivierter bin, möglichst schnell einen Job zu finden. Oder motiviert sein sollte. Es ist gar nicht so einfach, meine nicht ganz passenden Qualifikationen so zurechtzubiegen, dass sie doch möglichst passen. Und das auf englisch. Und das in einem Land, in dem das Bildungssystem so total anders aussieht. Und das im dunklen Kämmerchen vom Tiefgaragen-Wöhnigli, das zum Glück bald Vergangenheit ist.


Aussicht (fast) von unserer Wohnung aufs Meer mit dem mysteriösen Schiff, das immer dort ist. Man sieht sofort: 1. Mein Gejammer ist total unangebracht. 2. Wir bereuen schon, vom Meer etwas weiter landeinwärts zu ziehen.

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